Sciacca

Sciacca, Thermalbad und der sizilianische Karneval

Bunt gestrichene Häuser, die sich um sich selbst zu drehen und auf das Wasser zuzurollen scheinen, um sich mit dem Hafen und den Fischerbooten am Kai zu vermischen. Vom Meer aus gesehen erscheint Sciacca wie ein großes, von einem Kind gebautes Dorf aus Lego-Steinen. Diese kleine Stadt mit ihren harmonischen Farben, die nach Süden und damit nach Afrika blickt, ist ein Kreuzungspunkt von Menschen aus vieler Herren Länder, mit Wurzeln in der griechischen, römischen und arabischen Welt. Dieser Ort war bereits in der Antike überaus begehrt, besaß er doch zahlreiche schwefelhaltige Thermalquellen mit ausgezeichneten therapeutischen Qualitäten; hinzu kamen noch die sog. Stufe di San Calogero, eine Art Natursauna, die schon in der griechischen Epoche bekannt und geschätzt war. Im Jahre 870, während der arabischen Herrschaftsperiode, erlangte die Stadt ihren endgültigen Namen und erlebte eine Zeit der wirtschaftlichen Hochblüte. Nach der Eroberung durch die Normannen erlebte Sciacca eine Zeit, in der sich diverse Familien die Stadt streitig machten, darunter die Familie Luna, die das großartige Castello Luna errichten ließ, das heute Schauplatz kultureller Veranstaltungen ist. In der Folge durchlebte die Stadt diverse Erdbeben und Revolutionen, die Hunger und Elend brachten. Trotzdem, und auch dank der spanischen und österreichischen Besetzung sowie ihres Hafens in strategisch günstiger Lage, entwickelte sie sich zu einem Handelszentrum, von dem aus vor allem Waren auf dem Seeweg verschifft wurden. Heute verdankt Sciacca seinen wirtschaftlichen Aufschwung seiner großen Fischereiflotte (Sciacca der zweitwichtigste Fischereihafen Siziliens) und dem Tourismus im Zusammenhang mit den Thermen und den schönen, sauberen Sandstränden. Andere kulturelle Reichtümer der „Saccensi“, wie die Einwohner Sciaccas genannt werden, sind eng mit der Tradition verbunden: die Majolikaproduktion (die teils wunderschönen Keramiken sind in diversen Geschäften erhältlich) und der seit undenklichen Zeiten vielbesuchte Karneval, der eine der mitreißendsten Manifestationen der sizilianischen Tradition ist. Wie in vielen Ortschaften Siziliens scheint das Gassengewirr auf den ersten Blick nicht sehr ermutigend. Aber dann nimmt es dich gefangen, es verblüfft dich mit unverhofft großartigen Ausblicken und prunkvollen Palazzi. Ein Beispiel hierfür ist die Piazza Scandaliato, ein zauberhaftes Belvedere mit Blick aufs Meer und den vielfarbigen Hafen. Etwas weiter öffnet sich die Piazza del Duomo mit dem Dom, von dessen normannischen Ursprüngen nur noch die Außenseite der drei Apsiden erhalten ist. Rechter Hand verläuft der Corso Vittorio Emanuele, an dem mehrere interessante Bauwerke stehen, darunter der Palazzo Tagliavia mit seiner mit Zinnen bekrönten und durch spitzbogige Portale und ein gotisches Drillingsfenster unterbrochenen Fassade. Die Überreste des CastelloConti Luna (Ende 14. Jh.), die normannische Chiesa San Nicolò, Palazzo Inveges und Palazzo Ragusa (beide aus dem 18. Jh.) sind nur ein Vorgeschmack auf den Palazzo Steriopinto (an der Ecke Corso Vittorio Emanuele/Via P. Gerardi, nur wenige Schritte vom Stadttor Porta San Salvatore und der Chiesa del Carmine entfernt): Im 15. Jh. im katalanischen Stil erbaut, zeigt er eine bossierte Fassade, Zwillingsfenster und ghibellinische Zinnen. Aber in Sciacca bemerkt man eigentlich überall eine Vielfalt und Überlagerung der Stile, wie die vielen gewölbten Balkongitter, die Portale, die Zwillingsfenster zeigen, alles Zeichen, mit denen sich der Palazzo Stereopinti ebenso wie andere Bauwerke in verschiedenen Kulturen verortet. Aber Sciacca hat noch ein weiteres, unerwartetes Gesicht, nämlich die üppige, wenn auch ein wenig dekadente Atmosphäre des Gebiets um die Thermalbäder. Im so genannten Valle dei Bagni („Tal der Bäder“) befindet sich das restaurierte Thermalbad aus dem 19. Jh., während die „neue“ Kuranstalt im Jahr 1938 errichtet wurde. An diesem großen Gebäudekomplex im Neo-Jugendstil kommt man nicht vorbei; er liegt hoch über dem Meer im Südosten der Stadt, umgeben von einem schönen Park. Ein weiteres Thermalbad befindet sich in der Contrada Molinelli. Verlässt man Sciacca auf der Via Figuli in Richtung Agrigent, so bemerkt man als eine letzte Überraschung das Castello Incantato, das „verzauberte Schloss“. Es handelt sich um einen schier unglaublichen Garten, in dem der Bildhauer Filippo Bentivegna, genannt „Filippu delli Testi“, seine Steinköpfe ausgestellt hat: Gesichter und Ausdruck der hier im Castello in den letzten fünfzig Jahren geschaffenen Figuren besitzen einen fast schon peinlichen Magnetismus. Aber die wahre Attraktion von Sciacca ist zweifellos der Karneval, dessen Wurzeln vermutlich bis in die Römerzeit zurückreichen. Seit über hundert Jahren zieht jedes Jahr im März eine Kolonne allegorischer Faschingswagen von der Piazza Friscia durch die Altstadt, begleitet von Musik, Tanz und lebenden Bildern; den Höhepunkt bilden der Scheiterhaufen, auf dem Peppe Nappa, der symbolische Karnevalskönig, verbrannt wird, und das Feuerwerk.



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