Corleone und die sizilianische Mafia

Corleone und die Mafia: untrennbar verbunden

Corleone ist eine Ortschaft im Innern Siziliens in der Provinz Palermo. Berühmt wurde sie, als ihr Name mit der Mafia-Familie Corleone aus dem amerikanischen Kino-Dreiteiler Der Pate in Verbindung gebracht wurde. Tatsächlich gibt es gar keine Familie Corleone, es handelt sich um eine reine Erfindung des Drehbuchautors – die Wirklichkeit ist sehr viel schmerzhafter, denn die sizilianische Mafia der Nachkriegszeit ist gekennzeichnet durch den Aufstieg mehrerer Mafia-Oberhäupter aus Corleone, die nach diversen blutigen Fehden schließlich die Oberhand über ihre „Konkurrenten“ gewannen und dank ihrer Verbindungen und Bündnisse de facto ganz Sizilien beherrschten. Ein Ausschnitt dieser gelebten Wirklichkeit von den fünfziger Jahren bis heute ist ausführlich dargestellt in den kürzlich erschienenen Buch Don Vito von Massimo Ciancimino, Sohn des aus Corleone gebürtigen Don Vito Ciancimino, eines allseits respektierter Bürgers, der auch Bürgermeister von Palermo wurde und mehr als zwei Jahrzehnte lang die Komplizenschaft von Mafia und Staat repräsentierte: Er war der Initiator der so genannten „Plünderung von Palermo“, der ausgedehnte landwirtschaftliche Gebiete in der Goldenen Muschel (Umland von Palermo) zum Opfer fielen. Kirchen, Villen, Häuser und Adelspalazzi wurden dem Erdboden gleich gemacht, um Raum zu schaffen für gigantische Wohnkasernen aus Stahlbeton, mit deren Errichtung Unternehmen beauftragt wurden, die der Mafia nahe standen bzw. ihr gehörten. Dies führte dazu, dass die Mafia ihre Macht bei allen legalen und illegalen wirtschaftlichen Unternehmungen der Stadt gründlich ausbauen konnte. Während dieser Zeit begann der Kampf der sizilianischen Rechtsinstitutionen gegen die Mafia, der in den 80er und 90er Jahren eine nie da gewesene Serie von Morden an Polizisten, Richtern, Carabinieri, Journalisten und einfachen Menschen heraufbeschwor, die sich der allgegenwärtigen Macht der Mafia entgegenzustellen suchten. Heute, nachdem alle wichtigen Mafiabosse verhaftet sind, leben in Corleone noch die Familien derer, die das Hirn und gleichzeitig auch der bewaffnete Arm der Mafia waren. Obwohl ebenfalls vom Stahlbeton erdrückt, bewahrt Corleone doch noch einige Züge des alten, der omertà verpflichteten sizilianischen Dorfes; es präsentiert sich fast unbeweglich und schläfrig an der Oberfläche, aber im Innern noch angeheizt von dem Wunsch nach Rückkehr zu der alten Macht. Corleone verdient einen Besuch: Hier, in der Erforschung der Orte, wo die Mafiabosse und ihre Stellvertreter lebten und oft genug sich versteckten, liegt der Schlüssel zum Verständnis, wie das Phänomen Mafia entstehen konnte. Das Wohnhaus, wo sich der berüchtigte Boss Bernardo Provenzano mehrfach versteckt hielt, ist heute eine „Antimafia-Werkstatt“, wo u. a. Produkte von den Feldern verkauft werden, welche der Staat von den Mafiabossen beschlagnahmt hat. In der Tat sind auf diesen, ehemals in Mafiabesitz befindlichen Ländereien Dutzende von Betrieben entstanden, in denen sich heute junge, in Kooperativen zusammengeschlossene Leute der Produktion widmen. Unter landschaftlichem Gesichtspunkt sind die „Zwillingsfelsen“ bemerkenswert: Einer liegt östlich der Ortschaft bei der Burg Soprano und den Überresten des alten sarazenischen Wachturms, während der andere in der Dorfmitte aufragt, ein mächtiger, von der gegenüber liegenden Felswand herabgestürzter Kalksteinblock, auf dem die mittelalterliche Burg errichtet wurde, die heute den Franziskanern als Eremitage dient. Zu Füßen des Castello Soprano bildet die Cascata delle Due Rocche („Wasserfall der zwei Felsen“) ein Naturschauspiel; das Wasser stammt aus dem Wasserlauf San Leonardo, einem Zufluss des Belice, welcher einen reizvollen kleinen See bildet, an dessen Ufern noch die Überreste eines vermutlich arabischen Aquädukts zu sehen sind. Der Wasserlauf fließt in einer engen Schlucht dahin, einem natürlichen Canyon, der im Sommer befahrbar ist. In der Umgebung weiterhin sehenswert sind die Wälder um die Rocca Busambra und Ficuzza; in letzterem befindet sich das „königliche Jagdschlösschen“, ein prunkvoller, 1799 von dem Bourbonenkönig Ferdinand IV. errichteter Palastbau. Außerdem empfehlen wir unbedingt einen Besuch der Gole del Drago („Drachenschluchten“) am Flusslauf Frattina.


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